
Sony A1 II Praxistest: Portrait-Fotografie Erfahrungen
- Marvin Kuhn
- Erfahrungsbericht , Kamera
- 12. September 2025
Inhaltsverzeichnis
Dies ist Teil 2 der Serie, in der ich meine Erfahrungen in unterschiedlichen Genres mit der Sony A1 II teile.
Die Sony A1 II ist jetzt seit einem halben Jahr draussen und genauso lange bei mir im Dauereinsatz. Der grosse Aufschrei blieb aus, das dauerhafte Grinsen beim Arbeiten dafür nicht. Keine Zaubershow, sondern Feinschliff an den richtigen Stellen. Genau mein Ding. Hier erzähle ich, warum sie mich bei Portraits packt und was ich mir trotzdem noch wünschen würde.
Die A1 II in der Portrait-Fotografie
Als ich die A1 II zum ersten Mal benutzt habe, hatte ich keine grossen Erwartungen. Genau das machte die Überraschung umso grösser. Ich komme von der A7R III und habe die erste A1-Generation bewusst ausgelassen. Irgendwas hat mir immer gefehlt. Aber jetzt ist sie mein täglicher Begleiter – ob im Studio oder draussen auf der Strasse.
Klar, man kann sagen: „Nimm doch die A1 Mark I, ist günstiger.“ Oder: „Die A7R V hat mehr Auflösung.“ Stimmt alles. Aber wer viel fotografiert, merkt schnell, wie viel die kleinen Dinge ausmachen. Die bessere Ergonomie. Der schnellere Autofokus. Das neue Display. Für mich zählt das mehr als ein paar Megapixel.
Gerade bei Portraits, wo es auf Nuancen ankommt – ein Blick, eine Bewegung, ein Windstoss im Haar – ist Verlässlichkeit alles. Der Autofokus der A1 II sitzt. Auch bei schwierigen Lichtverhältnissen oder wenn Haare ins Gesicht fallen. Beim Shooting mit Paris hatte ich Szenen im Gegenlicht, schnelle Bewegungen, Haare im Spiel – und trotzdem hat die Kamera sauber fokussiert. Sogar mit Fremdobjektiven. Klar, bei Drittanbieter-Linsen ist man auf 15 Bilder pro Sekunde limitiert, aber für klassische Portraits reicht das locker. Wenn’s actionreicher wird, greife ich zu Sony-Objektiven.
Was ich richtig schätze: der neue Griff. Ich fotografiere fast immer mit Wrist Strap, ohne Gurt. Da macht es einen Unterschied, wie die Kamera in der Hand liegt. Auch der neue frei belegbare Knopf ist praktisch – bei mir ist dort der Boost Mode drauf. Es fühlt sich einfach stimmig an. Das grösste Plus für mich ist aber der neue Tilt-Flip-Screen. Ich hätte nicht gedacht, wie oft ich ihn nutze. Bodennah, über Kopf, von der Seite – plötzlich geht alles viel einfacher. Und umgedreht ist der Bildschirm auch gleich geschützt.
Auch technisch wurde sinnvoll nachgelegt. USB 3.2 und ein 2.5 Gbps LAN-Port machen Tethered Shooting deutlich schneller. Bei hohen ISO-Werten wirkt das Rauschverhalten leicht verbessert – in dunklen Umgebungen hilft das. Die A1 II ist keine Kamera, die laut „Revolution“ schreit – sie flüstert eher: „Ich bin bereit, wenn du es bist.“ Sie hat sich nicht neu erfunden, sondern genau an den Stellen geschärft, die im Alltag den Unterschied machen. Für mich ist sie die Kamera, mit der ich nicht nur arbeite, sondern gerne arbeite. Und das sagt alles.
Portrait-Shooting mit Paris in Zürich
Früh am Morgen, kühle Luft, halb wach im Zug nach Zürich. Ich treffe Paris – wir haben schon zusammen gearbeitet, also gibt’s eine kurze Abstimmung und einwenig Smalltalk. Ursprünglich sollte das Shooting im Winter stattfinden, wurde dann mehrfach verschoben, bis es plötzlich ein Sommermorgen wurde. In Zürich stösst Silvan dazu und wir laufen hoch zum Lindenhof. Mein Rucksack wirkt dabei wie ein kleiner Umzug: A1 II mit Batteriegriff, 85 mm für klassische Portraits, Tamron 35–150 mm für alles dazwischen, RS3 Pro für Bewegungen, Rode Wireless Pro für Ton, Godox AD300Pro mit Softbox, kleines Stativ, Reflektor. Jedes Mal frage ich mich, warum ich keinen Rollkoffer nehme und lande trotzdem wieder beim Rucksack.
Oben liegt weiches, gerichtetes Frühlicht über den Fassaden. Die Sonne steht genau hinter den Baumkronen – perfekt für frühes Backlight. Noch tief genug für lange Schatten, schon hoch genug für klare Kanten. Auf der Hauswand tanzen kleine Reflexe zwischen Fensterläden und geben Struktur. Ich starte mit weit bis moderat (etwa 24–40 mm) aus tiefer Perspektive: verlängert Beine, gibt mehr Umgebung, passt. Blende zwischen f/2.8 und f/5.6, damit der Hintergrund nicht zur Suppe wird. Danach wechsle ich auf längere Brennweiten (um 100 mm und mehr) für ruhigere Hintergründe und mehr Fokus auf Haltung, ohne die Szenerie komplett auszublenden. Die drei Bilder zeigen genau diese Reihenfolge: erst Struktur, dann Backlight-Spiel, dann dichter Hintergrund.
Die erste Gasse nach dem Lindenhof wird unser Bewegungs-Spot. Die Sonne steht inzwischen höher und liefert breites, natürliches Auffülllicht. Der AD300Pro kommt leicht seitlich erhöht als Key dazu. Die Softbox drehe ich leicht weg, damit keine Hotspots auf Stirn oder Wangen entstehen. Verhältnis zwischen Blitz und Umgebung: etwa 1,5 bis 2 Blenden. So bleibt Leben im Bild. Brennweiten um 50 mm wirken angenehm natürlich. Mit f/2.8 trenne ich genug, ohne die Architektur zu verlieren. Für stärkere Verdichtung greife ich kurz zu 100 mm und mehr. Ich bleibe bei 1/400 s Synchronzeit, spare mir HSS und ND-Filter. Das Ergebnis: knackige Bewegungsframes bei Drehungen und Hair-Flips – mehr Zeit fürs Fotografieren, weniger Menü-Akrobatik.
Weiter Richtung Paradeplatz fällt uns spiegelndes Wasserf und eine Gasse mit Torbogen zur Limmat hin auf – ein perfekter Rahmen für die Bildwirkung. Silvan positioniert den Blitz, über der Limmat, etwas höher als Augenlinie und leicht seitlich – das gibt schöne Konturen an den Wangen. Ich springe zwischen 35 und 90 mm: so schnell Kontext oder engeres Portrait ohne Objektivwechsel.
Im Botanischen Garten geht es nach einer kurzen Pause mit reduziertem Setup weiter. Minimales Blitzlicht hebt nur Augen und mittlere Tonwerte leicht an, der Rest bleibt natürlich. Zunächst bleibe ich zwischen 35 und 70 mm für schnelle Variationen. Für die Gewächshauskuppeln greife ich zu 100 mm und mehr, damit sie im Hintergrund nicht verloren gehen. Haare wehen immer wieder ins Gesicht, Eye-AF bleibt dran. Der Tilt-Flip-Screen spart mir dreckige Knie und wacklige Überkopf-Verrenkungen.
Im Gewächshaus nutze ich Blätter im Vordergrund als organische Vignette. 35–50 mm holen genug Struktur, ohne Linien zu verziehen. Fokus klar aufs Motiv, Eye-AF läuft zuverlässig. Grünes Streulicht gleiche ich mit leicht erhöhtem Magenta im Weissabgleich aus. Im tropischen Abschnitt beschlägt die Frontlinse schnell – wir nehmen das als kostenlosen Soft-Focus mit Glow. Kontrast lasse ich vor Ort in Ruhe und hebe in der Bearbeitung später moderat die Klarheit an, bevor Feuchtigkeit zu riskant wird.
Falls es aufgefallen ist: Das 85 mm blieb diesmal komplett ungenutzt. Ich war fast ausschliesslich mit dem Tamron 35–150 mm unterwegs, Silvan nutzte überwiegend sein 28–70 mm. Festbrennweiten mag ich trotzdem – aber an solchen Location-Tagen gewinnt Flexibilität vor Romantik.
Swiss Creator Lab Event
Zu einem späteren Zeitpunkt nahm ich noch an 2 Creator Lab Events teil. Ersteres fand im Kraftwerk in Zürich statt. Dort testete ich vor allem meine A1 II in Kombination mit dem 28–70 mm F2.0 und dem 50–150 mm F2.0 um ein gutes Gefühl für die AF Performance mit nativen High-end Objektiven zu bekommen. Ich selbst nutze sonst für Portraits meistens Tamron Linsen, da diese ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis bieten. Aber die Sony Objektive sind natürlich nochmal eine andere Liga. Der AF sitzt hier wirklich perfekt und die Bildqualität ist auf einem sehr hohen Niveau. Auch die Verarbeitung der Objektive ist top und sie liegen gut in der Hand. Für meine Art der Fotografie sind sie mir aber einfach zu teuer.
Besonders cool war an diesem Event, dass wir nur eine kleine Gruppe waren und so viel Zeit hatten, um verschiedene Posen auszuprobieren. Einzige Challenge war das Licht, oder besser gesagt der Mangel daran. Da es bewölkt war und sonst nicht helles Kunstlicht vorhanden war, musste man mit verhältnismässig hohen ISO Werten arbeiten. Auch hier bestätigte sich wieder der gute Eindruck zum AF der A1 II. Selbst bei ISO 6400 und 1/200 s hatte ich keine Probleme den Fokus zu treffen. Einzig hatte ich Probleme mit Bewegungsunschärfe, denn einerseits bewegten sich die Models und andererseits war ich nach 30 min total durchgeschwitzt. Aber das ist ein anderes Thema, könnt ihr hier gerne mehr dazu lesen.
Beim zweiten Swiss Creator Lab Event in Zürich waren deutlich mehr Personen anwesend. Insgesamt waren über 140 Leute gemeldet. Dafür hat das Team von Swiss Creator Lab, Sony und Foto Zumstein die Fotohalle in Schlieren gemietet und viele verschiedene Sets aufgebaut. Ebenfalls waren dort Workshops mit Sven Germann und Muriel Rieben anwesend, die Workshops durchführten. Ich selbst hielt mich da hauptsächlich bei Muriel auf, da sie ein richtig moody Wasserset aufgebaut hatte, welches mir sehr gut gefiel. Aufgrund der Atmosphäre konnte ich hier nochmals den AF der A1 II auf die Probe stellen. Ausserdem nutzte ich hier wieder meine eigenen Objektive, nämlich das Tamron 35–150 mm F2–2.8 und das neue Tamron 16-30 mm F2.8. Der AF war auch hier wieder sehr zuverlässig, jedoch sicherlich nicht auf dem Niveau der nativen Sony Linsen. Dafür hatte ich jedoch mehr Flexibilität bei der Brennweite. Auch die Wasserfestigkeit der A1 II konnte ich hier unabsichtlich testen, da ich die Kamera aus Versehen ins Wasser gehalten habe, also bitte nicht nachmachen.
Model: TeckyBecky
Aber auch bei den anderen Sets konnte ich noch ein wenig fotografieren, was mit dem zuverlässigen AF der A1 II sehr Spass machte. Bei diesen offenen Sets war auch noch der Sucher ganz wichtig, denn so konnte ich einschätzen, wenn die Models Blickkontakt aufnahmen. Normalerweise ist dies nicht so ein Problem, da aber, sobald man ein Setup hatte, das cool war, 20 weitere Fotografen um einen herum standen, konnte ich somit den perfekten Augenblick abpassen. Einzig die Akkulaufzeit war hier etwas knapp, da ich den ganzen Nachmittag fotografierte, ging ich durch 2 Akkus durch.
Models: Paris ; Fabiana ; Ladina ; Eloiza
Fazit
Nach sechs Monaten mit der A1 II ist sie für mich mehr als ein Werkzeug – ein verlässlicher Partner. Klar, nicht alles ist perfekt: Bei der Akkulaufzeit an langen Tagen und bei der Flexibilität im Serienbildmodus wünsche ich mir Feinschliff. Doch das Gesamtpaket überzeugt: Auflösung, Dynamikumfang, Rauschkontrolle und ein treffsicherer AF liefern mir bei People/Portraits in wechselndem Licht konstant starke Ergebnisse. Keine Revolution, sondern ein logischer Schritt nach vorne – und vor allem eine Kamera, auf die ich mich draussen wie im Studio verlassen kann.