Tamron 90mm F/2.8 Di III MACRO VXD Test (Sony FE) – Schärfe, Bokeh & AF geprüft
- Marvin Kuhn
- Erfahrungsbericht , Objektiv
- 31. Oktober 2025
Inhaltsverzeichnis
Es heisst oft, die kleinen Dinge machen die Freude. Passend dazu habe ich das neue Tamron 90mm F/2.8 Di III VC VXD MACRO über Wochen intensiv genutzt. Dieses Objektiv zeigt Strukturen und Formen, die dem blossen Auge entgehen – ideal, um die unscheinbaren Details des Alltags neu wahrzunehmen. Um herauszufinden, ob nicht nur die Motive, sondern auch das Objektiv selbst Freude bereitet, habe ich es in sehr unterschiedlichen Situationen getestet.
Lieferumfang & Spezifikationen
Wie bei Tamron üblich ist der Lieferumfang schlank gehalten: Objektiv, Front- und Rückdeckel sowie Gegenlichtblende. Dazu kommt die 10‑Jahres-Garantie (Registrierung bei Tamron Schweiz erforderlich).
| Spezifikation | Wert |
|---|---|
| Brennweite | 90 mm |
| Lichtstärke | f/2.8 (12 Blendenlamellen) |
| Abbildungsmassstab | 1:1 (Makro) |
| Autofokus | Ja |
| Filtergewinde | 67 mm |
| Bildstabilisator | Nein |
| Anschluss | USB‑C (für Firmware / Konfiguration) |
Kleines ganz gross: Herbstlicher Praxiseinstieg
Ich startete im Herbstwald: nasses Laub, Moose, kleine Pilze — ideale Motive, um die Auflösung und das Mikrokontrastverhalten zu prüfen. Ein Pilz, kaum 2 cm hoch, war meine erste Herausforderung: Freihand ging knapp noch, aber ein Stativ half schnell, die perfekte Schärfenebene zu treffen. Für solche Situationen wäre ein eingebauter Bildstabilisator definitiv von Vorteil. Dennoch, bei 100%-Vergrösserung in der Nachbearbeitung offenbarten sich feine Fasern, die das Objektiv sauber darstellt.
Später fand ich einen umgestürzten Stamm, überzogen mit Moos, daneben ein filigranes Spinnennetz. Solche Szenen belohnen Geduld: das 90 mm trennt Vorder- und Hintergrund sehr sauber, das Bokeh bleibt in Makro-Distanzen angenehm ruhig.
Dann klang in der Ferne ein Jagdhorn. Beim Rückweg stand die Sonne tiefer und warf warmes Gegenlicht in mein Gesicht. Ich nutzte die Gelegenheit für Blattstrukturen im Gegenlicht: Zellgewebe, Leitbahnen, kleine Unregelmässigkeiten – eine mikrohafte Landschaft in einem einzigen Blatt.
An einem anderen Tag entdeckte ich noch blühende Blumen und konnte sogar noch Hummeln fotografieren, die sich an den letzten Blüten des Jahres labten. Hierfür nutzte ich den Autofokus, der im Nahbereich schnell und präzise arbeitet. Die Kombination aus kurzer Distanz, kleiner Blende und dem 1:1 Abbildungsmassstab ermöglichte es, die feinen Details der Hummeln scharf abzubilden, während der Hintergrund schön verschwimmt. Hierfür nutzte ich zusätzlich meinen Aufsteckblitz und ein selbstgebautes Diffusor-Setup, um das Licht weich und gleichmässig auf dem Subjekt zu verteilen.
Augen als Mikro-Landschaft
Zuhause setzte ich die Serie mit einem für mich neuen und schwierigeren Motiv fort: der Iris. Augen fotografieren ist knifflig — kleinste Bewegungen reduzieren die Schärfe drastisch. Bei Makro-Vergrösserungen von 1:1 ist der Schärfenbereich so dünn, dass bereits das Atmen des Models den Fokus verschieben kann.
Ich wechselte deshalb komplett in den manuellen Fokus. Hier kam die Tamron Lens Utility App zum Einsatz: Diese kostenlose Software ermöglicht es, das Fokusringverhalten präzise anzupassen. Standardmässig arbeitet der Fokusring mit variabler Geschwindigkeit — schnelle Drehungen springen weiter, langsame ermöglichen Feinjustierung. Für die Iris-Aufnahmen stellte ich das Verhalten auf “Linear” um: Jetzt entspricht jeder Grad Drehung einem konstanten Fokusabstand. Zusätzlich kann man einstellen, wie viele Umdrehungen für den kompletten Fokusbereich nötig sind — ich wählte 270°, um genügend Präzision zu haben, ohne ewig drehen zu müssen.
Studioeinsatz Produktfotografie
Im Studio habe ich das Objektiv mit harten, reflektierenden Motiven geprüft: Kabel, Metallteile, glänzende Kanten. Ergebnis: kaum sichtbare chromatische Aberrationen, sehr saubere Rendering-Qualität. Die internen Korrekturen greifen gut, Randschärfe und Kontrast sind beeindruckend.
Ebenfalls habe ich das Objektiv mit zusätzlichen Zwischenringen getestet, um den Abbildungsmassstab noch weiter zu erhöhen. Hier zeigte sich, dass die Schärfeleistung auch bei grösseren Vergrösserungen sehr gut erhalten bleibt. Einzig einbussen bei der Lichtstärke und der Qualität der Zwischenringe sind zu beachten, die diktieren, wie gut das Gesamtsystem performt.
“Labor”-Tests (praxisnah)
Nach all den Erlebnissen draussen und im Studio wollte ich mir noch gezielt einzelne Bildeigenschaften anschauen. Also habe ich ein paar fokussierte Tests gemacht – keine sterile Laborumgebung, sondern praxisnahe Szenarien, die zeigen, wo das Objektiv glänzt und wo es Kompromisse macht.
Chromatische und longitudinale Aberrationen
Ich fotografierte bewusst Spitzlichter und kontrastreiche metallische Kanten – Situationen, in denen chromatische Aberrationen normalerweise gnadenlos sichtbar werden. Das Ergebnis überraschte mich positiv: Selbst bei genauester Betrachtung finde ich nur minimale bis keine Farbsäume.
Auch bei den gefürchteten longitudinalen Aberrationen (LoCa), die im Makrobereich ein Problem sein können, bleibt das Tamron grösstenteils sauber – keine nennenswerten Farbsäume vor oder hinter der Schärfeebene.
Schärfe & Feldgleichmässigkeit
Um die Schärfe über das gesamte Bildfeld zu testen, fotografierte ich eine flache Testszene. Was mir sofort auffiel: Die Mitte ist rasiermesserscharf, aber auch die Ecken überraschen mit sehr guter Schärfe. Für ein Makro in dieser Brennweite ist das wirklich ausgezeichnet – viele Konkurrenten schwächeln hier deutlich.
Vignettierung
Bei Offenblende (f/2.8) ist eine leichte Vignette an den Rändern erkennbar – aber ehrlich gesagt so subtil, dass sie in den meisten Motiven sogar angenehm wirkt. Sie lenkt den Blick aufs Zentrum. Sobald ich auf f/4 oder f/5.6 abblende, verschwindet sie praktisch komplett.
Bokeh – die grösste Schwäche
Hier muss ich ehrlich sein: Bei Portrait-Distanzen (nicht im extremen Makro-Bereich) zeigt sich ein deutlicher Seifenblasen-Effekt im Bokeh. Hintergründe können dadurch unruhig und ablenkend wirken. Das ist meine grösste Enttäuschung am Objektiv. Im engen Makro-Bereich mit 1:1 fällt dieser Effekt glücklicherweise deutlich weniger auf, weil der Hintergrund ohnehin stark verschwimmt.
Gegenlicht & Flare
Als ich das Objektiv bewusst in hartes Gegenlicht hielt – frontales und seitliches Streiflicht – zeigte sich ein sichtbarer Kontrastverlust und farbiges Flaring. Nichts Dramatisches, aber spürbar. Mit gezieltem Abschatten, einer Handfläche als improvisierten Flag oder durch eine kleine Winkeländerung liess sich das Problem aber gut in den Griff bekommen.
Stärken
- Sehr hohe Schärfe bis in die Ecken
- Präziser, schneller AF im Nah- und Portraitbereich
- 1:1 Abbildung mit sauberer Detailzeichnung
- Kaum chromatische Aberrationen in der Praxis
- USB‑C für Firmware / Konfiguration
- 67‑mm Filtergewinde (Tamron-typische Konsistenz)
- Lange Garantie (mit Registrierung)
Schwächen
- Kein integrierter Bildstabilisator (erhöht Ansprüche an Technik / Stativ bei 1:1)
- Seifenblasen-Bokeh bei Portrait-Distanz kann unruhig wirken
- Gegenlichtreserven begrenzt: Kontrastverlust, farbiges Flaring
Fazit
Das Tamron 90mm F2.8 Macro hat im Alltagstest überzeugt. Die Schärfeleistung ist herausragend, der Autofokus arbeitet schnell und präzise und die Detailtreue im 1:1-Bereich macht kleine Motive wirklich erlebbar. Besonders positiv fallen die geringe Anfälligkeit für Farbsäume und die Vielseitigkeit ausserhalb klassischer Makromotive auf. Die Schwächen – ein Bokeh mit Seifenblasencharakter bei Portrait-Distanz, eingeschränkte Gegenlicht-Performance und der fehlende Stabilisator – sind nicht trivial, aber für viele Anwendungen kalkulierbar. Wer vor allem Makro, Produkt, Detail und gelegentlich Portrait fotografiert und Wert auf ein technisch sauberes, scharfes Bild legt, bekommt hier ein sehr starkes Werkzeug. Ergänzt ihr noch Gewicht und minimale Fokusdistanz, ist das Bild komplett.
Wenn du Fragen zu konkreten Settings, Fokusmethoden oder Lichtaufbau mit dem Objektiv hast, ergänze ich das gerne in einem Updatesegment.
Transparenz & Partner
Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch Perrot Image SA. Das Tamron 90mm F2.8 Macro habe ich jedoch selbst gekauft und auf eigene Kosten getestet. Meine Bewertung ist komplett unabhängig und gibt meine ehrliche Meinung wieder, da ich für diesen Test weder eine finanzielle noch materielle Vergütung erhalten habe.